Erde

Verse für die Melancholiker, denen man Erde, Herbst, Abend, Erwachsenenalter zuordnet.
Die besinnlichen und leisen Gedichte.
Von Aphorismen bis zur Vanitasdichtung.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Adenauer-Brücke & das zweitausendzweihundertneunundvierzigste Gedicht

Die Konrad-Adenauer-Brücke nach Essen-Überruhr

Besuch im Daheim

Essen-Überruhr, hört man, verbiete es mir,
Es meinen Geburtsort zu nennen.
Man lädt mich zwar jedes Mal ein auf ein Bier,
Doch nur, um sich von mir zu trennen.

Mich dürstet es so nach dem Wiegengefühl,
In alter Gewissheit zu baden -
Schon schließt tumbes Modernisierungsgemühl
Den letzten verbliebenen Laden.

Man schläfert hier jeglichen Anhaltspunkt ein.
Nur ich kann doch nicht alles erinnern!

Dann bittet man rüde, mich rechts einzureih'n,
Im Rudel von echten Beginnern.

"Ich bin hier geboren!", rumort es in mir
(die S-Kurve immer im Blick),
Geb weder verloren den Ort und das Hier
Und schlurf durch den Ruhrwiesenschlick.

Wiedererwachen & das zweitausendzweihundertsechsundvierzigste Gedicht

Frühlingserwachen am Alten Nordfriedhof München

Glam der Flucht

Nach einer Saison unterm Mullbindenhimmel
Schrei'n meine Augen nach Strand -
Verödetes Licht kriecht durch Grauen und Schimmel,
Die Lichtung heißt: anderes Land.

Oh, seliges Dösen mit Sand an den Füßen
(die eben noch Socken verpackten)!
Ich streich aus erröteten Postkartengrüßen
Die allzu genüsslichen Fakten.

Ja, vertaut die Vertrautheit verdunkelter Welten
Gern felsenfest in meinen Häfen -
Es dämmert der Glam von dem emsigen Selten
Mir fernschönstes Licht in die Schläfen!

Venedig-Idyll & das zweitausendzweihundertvierundvierzigste Gedicht

In den Gassen Venedigs

Ahn/Recht

Die Nichtahnbarkeit mancher Wunder
Ficht Alltäglichkeit gar nicht recht an.
Mich zieht als ein Knospen-Erkunder
PofAhnbarstes in seinen Bann.

Ich weiß, es steht Vorsatz-Entzücken
Als Rauscheinheit niemandem zu,
Doch anbeetungsfreudiges Bücken
Behauptet sich tolldreist als Clou.

The Wheel of Venice & das zweitausendzweihundertvierzigste Gedicht

Riesenrad an der Piazza Brescia von Lido di Jesolo im Februar

TraditionsBewusst

Ich fülle mein Schweigen mit Worten von andern,
In deren Ideen ich geneigt bin zu wandern -

Und All und Mäh und Lich
Formt Vordem neues Ich.

Piazza Duomo & das zweitausendzweihundertachtunddreißigste Gedicht

Auf der Piazza Duomo in Trient

Scrold

Such ich im Onlineformular
Mein angetrautes Lebensjahr,
Scroll ich bis in den Keller.
Und auf dem Weg seh ich die Weiten
Frisch begonn'ner Lebenszeiten -
Die haben's sehr viel schneller!

So ist die Jugend flott bereit
Fürs unschuldige Tollen.
Derweil muss ich (nicht ohne Neid)
Noch ungeduldig scrollen.

Palazzo Mocenigo & das zweitausendzweihundertsiebenunddreißigste Gedicht

In der Textil- und Parfumausstellung im Palazzo Mocenigo in Venedig

Taktstock

Ich drille wie ein Dirigent,
Der die hinter ihm spielende Welt gar nicht kennt,
Die meinem Blick ergeb'nen Werke
(und lob das Ausmaß meiner Stärke) -

Tu dies vielleicht verlor'n.

Ich schaue nie aufs Publikum,
Nenn es ungestüm vorschnell mal bräsig, mal dumm,
Doch leb davon, ihm zu gefallen
(als schwierigster Sollwert von allen) -

Die Muse spielt dort vorn.

Nettuno Hood & das zweitausendzweihunderteinunddreißigste Gedicht

Straßenzeile im winterlichen Lido di Jesolo

Abschiedsland

Die Stille des Ruhestands schweigt in den Mauern
Und zeigt aller Welt: So ein Abschied kann dauern.
Schon längst hat man uns abgeschrieben.

Ein Dunst von uns ist stets geblieben.

Frari-Aussicht & das zweitausendzweihundertdreißigste Gedicht

Blick auf den Kirchturm der Santa Maria Gloriosa dei Frari

Das Wirrwarr und wir

Deine Rätselhaftigkeit
Schmeichelt meinen Lösungswegen.
Jäh entfernt, ist's nicht mehr weit -
Ständig komm'n wir uns entgegen.

F. dei Tedeschi & das zweitausendzweihundertneunundzwanzigste Gedicht

Blick vom Fondaco dei Tedeschi auf den Canale Grande

Im Versinken (als Geknickter auf Reisen)

In Venedig geht immer die Welt für mich unter.
Doch nirgendwo schluckt sich die Schwermut so munter ...

Düsseldorfer Sittich & das zweitausendzweihundertachtzehnte Gedicht

Halsbandsittich in der Düsseldorfer Innenstadt

Deutsche Papageien

Unsre Farbe krächzt jene Exotik hervor,
Die der Nistplatz uns gleich wieder nimmt,
Und die Ahnung belegt unser inneres Ohr,
Dass irgendwas nicht mit uns stimmt.

Derweil wir von Wurzeln des Bambus' erzähl'n,
Schießt Frost uns ins zarte Genick.
Da all diese Qualen uns längst nicht mehr quäl'n,
Fragt jeder nach unserem Trick.

Entlasst den Laudator, auf dass er erkennt,
Dass jeder verdammt ist zu seinem Talent.

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